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Das perfekte Netzwerkdesign in Straßenbahnen – Leitfaden für Einsteiger und Fortgeschrittene
Verkehrsbetriebe verfolgen das gleiche Ziel: Sich Live-Daten aus den Fahrzeugen verschaffen, um dadurch Fahrgästen bestmöglichen Komfort, Sicherheit und Echtzeit-Informationen anbieten zu können. Gleichzeitig benötigen Verkehrsbetriebe die Daten, um den täglichen Betrieb der Fahrzeugflotte effizient umzusetzen: Wie viel Kapazität benötigen wir wann? Wie effektiv und fahrgastfreundlich lenken unsere Fahrer die Busse und Straßenbahnen? Stimmen die gemessenen Fahrgastzahlen mit den gekauften Tickets überein?
Schnell stellen Verkehrsbetriebe fest, dass sie zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung neue, intelligente Komponenten wie Videoüberwachung, Fahrgastzählsysteme und Fahrgastinformationssysteme in die Fahrzeuge verbauen müssen. Dann kommt schon die nächste Frage auf: Wie kommunizieren wir mit den einzelnen Komponenten und wo schließen wir diese überhaupt an? Spätestens hier wird klar: Wir brauchen eine Netzwerkinfrastruktur. Wie sieht diese in Linienbussen und Straßenbahnen bzw. Trams aus? Worauf kommt es an? Hierzu möchten wir Ihnen einen Leitfaden an die Hand geben.
Netzwerkdesign für Straßenbahnen – Planung ist das halbe Leben
Bereits Benjamin Franklin erkannte, dass Planung ein wesentlicher Erfolgsfaktor in jedem Vorhaben ist. Sein bekanntes Zitat „If you fail to plan, you are planning to fail“ bringt das auf den Punkt. Ein Netzwerkdesign sowie der zugrundeliegende Kommunikationsplan stellen die Weichen für eine erfolgreiche Umsetzung der Netzwerkinfrastruktur in ÖPNV-Fahrzeugen dar.
In der Regel durchläuft die Netzwerkplanung im öffentlichen Nahverkehr vier Phasen:
Konzept: Im ersten Schritt der Netzwerkplanung soll die optimale Netzwerkinfrastruktur entwickelt werden, deren Durchführbarkeit es zu überprüfen und zu belegen gilt.
Pilot: Die Pilotphase stellt einen Praxistest unter realen Betriebsbedingten dar, dessen Ziel es ist, das fertige Netzwerkkonzept im regulären Betrieb unter Beweis zu stellen.
Rollout (Umsetzung): Das in der Pilotphase erfolgreich geprüfte Netzwerkkonzept wird nun auf die gesamte Flotte ausgerollt. Der Rollout erfolgt innerhalb eines fest definierten zeitlichen Rahmens.
Betrieb: Dabei geht es darum ein Konzept zu entwickeln, wie das Netzwerk aus der Ferne erweitert, umgebaut oder gewartet werden kann.
Checkliste: Grundfragen Netzwerkdesign
Um das optimale Netzwerk für Straßenbahnen zu designen, fangen Sie mit der Beantwortung dieser Grundfragen an:
Welche und wie viele Komponenten haben wir im Fahrzeug?
Welche Geräte sollen miteinander kommunizieren?
Welche Geräte dürfen nicht miteinander kommunizieren?
Welche Netzwerktopologie kommt in Frage?
Welche IP-Addressbereiche wollen wir nutzen?
Welche IP-Addressen sollen wir im Fahrzeug nutzen, sollen es immer dieselben sein?
Wie sollen die IP-Adressen vergeben werden?
Welche Netzwerkeinstellungen benötigen wir für unser Vorhaben?
Benötigen wir eine Live-Diagnose? Wenn ja, in welcher Form?
Besonderheiten der Straßenbahn
Normen
Der Einsatz elektronischer Geräte im Schienenfahrzeug unterliegt unter anderem international anerkannten Normen. EN 50155 beschreibt die elektrischen sowie die Umweltbedingungen für den Betrieb, EN 50121 definiert die Anforderungen hinsichtlich EMV, EN 45545 die Brandschutzanforderungen im Schienenfahrzeug. Außerdem werden durch die EN 50155 der Umfang für die Typprüfung und die Stückprüfung in der Fertigung festgelegt. Eine Konformitätserklärung durch Hersteller und ein technischer Prüfbericht eines akkreditierten Labors bescheinigen die Einhaltung der Normanforderungen. ROQSTAR Gigabit Switches erfüllen alle Anforderungen für den Einbau in Schienenfahrzeugen.
Größe und Anzahl der Komponenten
Je nach Länge und Ausbaustufe der Straßenbahn werden bis zu 100 IP-Teilnehmer in Straßenbahnen verbaut. Deutlich mehr als in Bussen. Um die Datenübertragung über die gesamte Straßenbahn zukunftssicher zu gestalten, ist der Einsatz von Gigabit Ethernet als Datenautobahn sinnvoll. Dabei weisen Verbindungen zwischen den Switches 1000 Mbit/s Übertragungsgeschwindigkeit auf.
Ausfallsicherheit und Topologiewahl
Eine Ringtopologie sorgt für erhöhte Netzwerkverfügbarkeit. Das bedeutet, dass auch wenn Fehler wie etwa Kabelbruch oder Ausfall einer Komponente passieren, die Funktion des Netzwerkes nach wie vor erhalten bleibt.
Kupplungsübertragung und dynamisches Kuppeln
Straßenbahnen bestehen in der Regel aus mehreren Waggons, die beliebig miteinander gekoppelt werden können. Dies setzt voraus, dass das Netzwerk so ausgelegt wird, dass es zu keinem Konflikt der IP-Adressen kommt.
Zweirichtungsfahrzeuge
Häufig sind Straßenbahnen als Zweirichtungsfahrzeuge gebaut, um das Wechseln der Fahrtrichtung an Kopfbahnhöfen einfach zu machen. Aus Sicht der Netzwerkinfrastruktur hat das Auswirkungen auf die Anzahl der Komponenten (Fahrerstand A+B) sowie die Einstellungen im Netzwerk.
Komponenten im IP-Netzwerk
Im typischen Fall werden alle oder nahezu alle vorhandenen Geräte im Fahrzeug in ein Netzwerk verbunden. In diesem Beispiel statten wir eine Straßenbahn mit allen Geräten aus, die für einen effizienten Betrieb und ein optimales Fahrgasterlebnis notwendig sind. Dazu zählen Innen- und Außendisplays, Fahrkartensysteme, Fahrgastzählsysteme, digitale Kameras bzw. Recorder und Fahrgast-WLAN. Bei dem Netzwerkdesign berücksichtigen wir auch den Bordrechner, der eine zentrale Rolle für die Netzwerksteuerung spielt sowie den Router, der die Netzwerkverbindung zwischen Fahrzeug und Leitstelle herstellt.
Alle Komponenten sind innerhalb des Netzwerks über eigene IP-Adressen einzeln adressierbar und es kann per Remote-Steuerung darauf zugegriffen werden.
Die Onboard-Geräte, die in unserem Beispiel einzubauen sind, listen wir nachfolgend auf:
Boardrechner x1
Fahrerbedieneinheit x2
Fahrkartenentwerter x8
Fahrgastzählsystem x8
Fahrersprechstellen VOIP: x2
Kamera x5
Videorecorder x1
Fahrtanzeiger x6
Fahrgastinformationssystem x8
Fahrgast WLAN: x2
Router x1
Managed Fast Ethernet Switch x4
Erst zum Schluss wählen wir die Art der Switches, mit denen wir unser Netzwerk aufbauen. Da unser Netzwerk komplex ist und Kontrollmöglichkeiten erfordert, entscheiden wir uns für Managed Switches. Wie viele Switches benötigt werden und wie viele Ports pro Switch, hängt von der Anzahl der Peripheriegeräte ab. Wichtig ist, mindestens ein Port pro Switch für Wartungszugang zum gesamten Netzwerk sowie für künftige Netzwerkerweiterungen freizugelassen.
Topologie des IP-Netzwerks einer Straßenbahn
In der Praxis dominiert in Straßenbahnen die Ringtopologie. Dabei werden die Switches zunächst in einer Linie miteinander verbunden, um dann den ersten mit dem letzten Switch zu verbinden. So entsteht ein Ring. Die Ringtopologie hat den Vorteil, dass bei einem Ausfall der Verkabelung oder der Switches selbst, das Netzwerk aufrechterhalten bleibt. Bis auf die ausgefallene Komponente ist das Netzwerk voll funktionsfähig. Der Nachteil: Man benötigt extra Einbauraum für die Ethernet-Verkabelung. Um eine Ringstruktur nutzen zu können ist der Einsatz von Managed Switches notwendig.
Vor allem in der Nachrüstung von Straßenbahnen bzw. Trams kann der Einbauraum ein Problem darstellen. Steht der Bauraum für eine zweite Ethernet-Leitung nicht zur Verfügung, wird eine Linientopologie umgesetzt. Um die Ausfallsicherheit zu erhöhen werden Geräte mit einem Bypass-Relais eingesetzt. Diese Funktion spielt eine Rolle nur bei einem Switch-Ausfall. Fällt ein Switch aus, wird das Relais geschaltet und die Netzwerkdaten an den nächsten Switch weitergeleitet.
Netzwerkplan für die Straßenbahn erstellen
Die Kommunikation innerhalb des Netzwerks kann durch den Einsatz von Managed Switches kontrolliert erfolgen. Dadurch lässt es sich verhindern, dass sensible Daten zu Netzwerkteilnehmern gelangen, die sie nicht benötigen bzw. bekommen sollten. Ein Netzwerkplan legt fest, welche Komponenten in der Straßenbahn miteinander kommunizieren sollen und welche es nicht dürfen.
Die Trennung der Datenflüsse erfolgt durch logische Subnetzwerke, die durch die Managed Switches realisiert werden. Ein gutes Beispiel, das Datentrennung durch Subnetzwerke erfordert, stellt die Fahrgast-WLAN dar. Um den Datenschutz zu gewährleisten, sollte diese keine Daten von Bezahlsystemen oder Kameras erhalten.
Netzwerktrennung für Fahrzeuge des Nahverkehrs
Der Netzwerkplan steht fest – nun geht es mit der Erstellung einer Infrastruktur für die Subnetzwerke weiter. Diese wird durch virtuelle LANs (VLANs) umgesetzt, die visuell im Plan abzubilden sind.
Wie in der Abbildung ersichtlich, tauschen Kameras und Videorecorder Daten untereinander aus, jedoch nur innerhalb ihres virtuellen Video-Netzwerks. Einzig kritische IP-Komponenten wie Bordrechner, Router und Switches können auf alle VLANs zugreifen.
Da in der Regel nicht alle Geräte in einem Netzwerk VLAN-fähig sind, wird die Netzwerktrennung (teils) durch die Managed Switches umgesetzt. Dabei wird jedem Switch-Port ein bestimmtes VLAN zugeordnet. Der daran angeschlossene Teilnehmer ist nur in der Lage, innerhalb dieses VLANs zu kommunizieren.
An dieser Stelle möchten wir eine weitere Möglichkeit erwähnen, um die Problematik der Netzwerk- bzw. Datentrennung zu lösen. Manche Onboard-Router sind in der Lage, sowohl die Kommunikation mit der Leitstelle als auch das Fahrgast-WLAN zu managen. Dadurch erübrigt sich die Trennung zumindest des Fahrgast-WLAN-Subnetzwerks.
Zum Schluss vergeben wir jedem Netzwerkteilnehmer eine individuelle IP-Adresse, damit es innerhalb des Netzwerks auffindbar wird.
Teilnehmer
IP-Adresse
VLAN Mitglied
Bordrechner
10.13.201.1
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Router
10.13.201.2
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Switch 1
10.13.201.3
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Switch 2
10.13.201.4
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Switch 3
10.13.201.5
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Switch 4
10.13.201.6
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Fahrtanzeiger 1
10.13.201.10
Fahrtdaten
Fahrtanzeiger 2
10.13.201.11
Fahrtdaten
Fahrtanzeiger 3
10.13.201.12
Fahrtdaten
Fahrtanzeiger 4
10.13.201.13
Fahrtdaten
Fahrtanzeiger 5
10.13.201.14
Fahrtdaten
Fahrtanzeiger 6
10.13.201.15
Fahrtdaten
Videorecorder
172.168.1.10
Video
Kamera 1
172.168.1.12
Video
Kamera 2
172.168.1.13
Video
Kamera 3
172.168.1.14
Video
Kamera 4
172.168.1.15
Video
Kamera 5
172.168.1.16
Video
Sprechstelle 1
10.13.201.40
Fahrdaten
Sprechstelle 2
10.13.201.41
Fahrdaten
Fahrerbedieneinheit 1
10.13.201.42
Fahrdaten
Fahrerbedieneinheit 2
10.13.201.42
Fahrdaten
Fahrscheinentwerter 1
10.10.201.10
Ticket
Fahrscheinentwerter 2
10.10.201.11
Ticket
Fahrscheinentwerter 3
10.10.201.12
Ticket
Fahrscheinentwerter 4
10.10.201.13
Ticket
Fahrscheinentwerter 5
10.10.201.14
Ticket
Fahrscheinentwerter 6
10.10.201.15
Ticket
Fahrscheinentwerter 7
10.10.201.16
Ticket
Fahrscheinentwerter 8
10.10.201.17
Ticket
Fahrgastzählsystem 1
10.13.201.60
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 2
10.13.201.61
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 3
10.13.201.62
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 4
10.13.201.63
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 5
10.13.201.64
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 6
10.13.201.65
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 7
10.13.201.66
Fahrdaten
Fahrgastzählsystem 8
10.13.201.67
Fahrdaten
WLAN
172.168.2.10
WLAN
Wartungszugang
10.13.201.250
Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Diagnose/Überwachung eines IP-Netzwerks im ÖPNV
Um die fehlerfreie Funktionsweise des digitalen IP-Netzwerks an Bord unserer Straßenbahn sicherzustellen, sorgen wir für eine dauerhafte Netzwerküberwachung. Manchmal kann diese Aufgabe der Bordrechner übernehmen. Allerdings erweist sich die Diagnose mittels eines Managed Ethernet Switches als effektiver, da Switches über eine physikalische Verbindung zu jedem einzelnen Teilnehmer im Netzwerk verfügen.
Die dauerhafte Netzwerküberwachung bietet sich vor allem in folgenden Fällen an:
Zur Fehlersuche
Kontrolle über den laufenden Betrieb.
Mit Hilfe spezieller Protokolle können Managed Switches Auskunft über den Netzwerkstatus geben:
ITxPT Inventory Service x-status: Dabei handelt es sich um ein funktionsrelevantes Monitoring, das eventbasiert erfolgt. Im Falle eines kritischen Ereignisses wird mittels DNS eine Nachricht an alle Teilnehmer verschickt. Der Router leitet die Störungsmeldung direkt an die Leitstelle weiter. Durch den ITxPT Inventory Service x-status behalten Verkehrsbetriebe den Überblick über die gesamte Fahrzeugflotte.
Remote Logging: Alle Ereignisse, die der Switch protokolliert, werden an einen Remote Server in der Leitstelle gesendet. Per Remote Logging werden ein umfangreiches Monitoring und die Erstdiagnose ermöglicht.
SNMP Trap: Mithilfe des „Simple Network Management Protocol“ lassen sich Fehlermeldungen versenden.
Bitte informieren Sie sich vorab, welche dieser Protokolle der Ethernet Switch Ihrer Wahl unterstützt.