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Das IP-Netzwerk: Grundlage für den digitalisierten ÖPNV-Bus in 7 Schritten
Um Disposition und Einsatz der Flotte zu optimieren, sind Live-Daten aus den Fahrzeugen nötig, die in die Leitstelle zusammenfließen. Folglich beginnt die Digitalisierung schon bei dem Netzwerkdesign in den Fahrzeugen. Dieses soll den Anforderungen der Verkehrsbetriebe gerecht werden – zum einen, um eine hohe Qualität der Leistung für Fahrgäste sicherzustellen, zum anderen um die Effektivität der internen Betriebsabläufe zu optimieren. Im Folgenden designen wir in 7 Schritten ein IP-Netzwerk für digitalisierte Linienbusse, das ein hohes Maß an Datentransparenz und somit beste Voraussetzungen für einen effizienten Betrieb besitzt.
Schritt 1: Einsatzzweck definieren
Für viele Verkehrsbetriebe ist die Digitalisierung des Betriebs und somit der Fahrzeugflotte ein zentrales Thema. Die Herangehensweisen unterscheiden sich jedoch: Abhängig von Zustand, Alter und Ausstattung der Fahrzeuge, ist eine Umrüstung der gesamten Flotte gegenüber einer kontinuierlichen Erneuerung über Neubeschaffung der Fahrzeuge abzuwägen.
Die Umrüstung erfordert hohe Investitionen in kurzer Zeit, die Fahrzeuge müssen neu verkabelt, die neuen Geräte installiert und in Betrieb genommen werden. Dafür erfolgt die Umstellung auf digitale Systeme in kurzer Zeit. Verkehrsbetriebe können so früher von Live-Daten profitieren und ggf. zusätzliche Einnahmen aus Fahrscheinverkauf (kontaktlos, per App/Smartphone) oder zielgruppen-und ortsabhängige Werbung schalten. Der Aufwand für die Betreuung zweier Systeme (analog und digital) ist bei einer Nachrüstung geringer, da hier die Umstellung in kurzer Zeit erfolgt.
Der Weg zur digitalen Busflotte über Fahrzeugneubeschaffung dauert länger. Verkehrsbetriebe wechseln pro Jahr etwa 10 Prozent Ihrer Busflotte aus. Bei einer Lebensdauer von 10 Jahren wäre der Umstieg also in 10 Jahren abgeschlossen. Von Vorteil sind die vergleichsweise geringe Investition und der geringe Aufwand für Installation und Verkabelung, da diese direkt durch den Bushersteller erledigt werden können. Der Nachteil ist die lange Übergangszeit, in der zwei Systeme parallel existieren und gepflegt werden müssen.
Ganz gleich welchen weg Sie als Verkehrsbetrieb einschlagen, es ist wichtig sich dem Thema Netzwerkinfrastruktur im Fahrzeug frühzeitig anzunehmen, damit die Umsetzung, sei es durch Nachrüstung oder Fahrzeugneubeschaffung, schnell und einfach erfolgt.
Schritt 2: IP-Komponenten bestimmen
Im typischen Fall werden alle oder nahezu alle vorhandenen Geräte im Fahrzeug in ein Netzwerk verbunden. In diesem Beispiel statten wir einen Solobus mit allen Geräten aus, die wir als wichtig für einen effizienten Betrieb und ein optimales Fahrgasterlebnis erachten. Dazu zählen Innen- und Außendisplays, Fahrkartensysteme, Fahrgastzählsysteme, digitale Kameras bzw. Recorder und Fahrgast-WLAN. Bei dem Netzwerkdesign berücksichtigen wir auch den Bordrechner, der eine zentrale Rolle für die Netzwerksteuerung spielt, sowie den Router, der die Netzwerkdaten an die Leitstelle sendet.
Bei allen Geräten handelt es sich um Komponenten, die über eigene IP-Adressen verfügen und auf die per Remote aus der Ferne zugegriffen werden kann. Die Gerätekonfiguration selbst wird an dieser Stelle nicht behandelt.
Alle Onboard-Geräte, die einzubauen sind, fassen wir in einer Liste zusammen:
Boardrechner x1
Fahrerbedieneinheit x1
Fahrkartenentwerter x2
Fahrgastzählsystem x2
Kamera x3
Videorecorder x1
Fahrtanzeiger x3
Fahrgastinformationssystem x2
Router x1
Managed Fast Ethernet Switch x2
Über die Art der Switches, mit denen wir unser Netzwerk aufbauen, entscheiden wir zum Schluss. Wir entscheiden uns für Managed Switches, da sie die nötige Transparenz und Kontrollmöglichkeiten bieten, die wir für unseren digitalisierten Linienbus benötigen. Die Anzahl der Switches und die Portanzahl pro Switch machen wir primär von der Gesamtanzahl der Peripheriegeräte abhängig. Um einen Wartungszugang zum gesamten Netzwerk zu verschaffen sowie für künftige Netzwerkerweiterungen, wird mindestens ein Port pro Switch freigelassen.
>> Lesen Sie auch: So wählen ÖPNV-Betreiber den richtigen Switch aus
Schritt 3: Einbaubedingungen berücksichtigen
Mit Rücksicht auf die Funktion, die das jeweilige Gerät im Bus erfüllt sowie die Platzverhältnisse bestimmen wir für jedes Gerät seine genaue Einbaustelle. Wir ordnen die Geräte schematisch so ein, wie sie später im Fahrzeug installiert
Wichtig für die Installation und die Netzwerkplanung ist auch die Stromversorgung der IP-Teilnehmer. Daher ist beim Festlegen des Einbauortes von Switches auch an die Kabelführung zu denken. Das gleiche gilt auch bei Nachrüstungen, wo Kabel bereits verlegt sind. Geräte, die über Power over Ethernet (PoE) versorgt werden, benötigen kein separates Stromversorgungskabel und werden direkt vom Switch versorgt. Dafür soll der verwendete Ethernet Switch die PoE-Funktion unterstützen.
Schritt 4: Ziel-Topologie bestimmen
Die Praxis zeigt, dass Linientopologien in Bussen am praktischsten sind und daher am meisten Sinn machen. Auch für unseren Solo-Stadtbus entscheiden wir uns für eine einfache Linientopologie, die wir mit zwei Ethernet Switches umsetzen. Beide Switches verfügen über PoE und Gigabit-Ports (zur Verbindung zwischen beiden Switches und Switch -> Router). Mit 16 + 10 Ports lassen sich alle vorgesehenen Geräte anschließen und es bleiben Ports für künftige Netzwerkerweiterungen übrig.
Ports freizulassen ist eine gängige Praxis und wird auch durch die Organisation für Interoperabilität im öffentlichen Verkehr ITxPT empfohlen.
Schritt 5: Kommunikationsplan erstellen
In einem Netzwerk mit vielen Teilnehmern ist es oft nicht zwingend nötig oder gar erwünscht, dass alle untereinander kommunizieren können. Um dies zu verhindern, ist ein genauer Kommunikationsplan notwendig. Dieser verdeutlicht schematisch, welche Geräte im Bus miteinander kommunizieren sollen und welche es nicht dürfen. Daraus ergibt sich auch die logische Netzwerkinfrastruktur.
Eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit der Geräte innerhalb des Netzwerks ist in komplexen, digitalen IP-Netzwerken unabdingbar. Managed Switches ermöglichen dies, indem sie das gesamte Netzwerk in logische Subnetzwerke unterteilen. Dadurch wird beispielsweise sichergestellt, dass das Fahrgast-WLAN von den restlichen Systemen (z. B. Kamera) getrennt wird. Dies soll unerwünschte Eingriffe verhindern und den Sicherheitslevel der Daten erhöhen.
Schritt 6: Netzwerkeinstellungen definieren
Nachdem wir die logische Netzwerkinfrastruktur definiert haben, setzen wir sie schematisch mit Hilfe von virtuellen LANS (VLANs) um. Die Netzwerktrennung wird in der Abbildung unten ersichtlich. Auf diese Weise tauschen Kameras und Videorecorder Daten untereinander aus, sie tun dies jedoch nur innerhalb des virtuellen Video-Netzwerks. Einzig netzwerkkritische IP-Teilnehmer wie der Bordrechner und der Router verfügen über alle Daten bzw. leiten sie weiter.
Hinweis: Typischerweise sind nicht alle Geräte in einem Netzwerk VLAN-fähig. Die Trennung übernimmt bei Bedarf der Managed Ethernet Switch, wobei dem jeweiligen Switch-Port ein festes VLAN zugeordnet wird. Somit kann der angeschlossene Teilnehmer nur innerhalb dieses VLANs kommunizieren.
Unter Umständen kann die Problematik der logischen Netzwerktrennung auch durch den Router gelöst werden. In manchen Fällen kann das Fahrgast-WLAN an den Router angeschlossen werden oder ist es bereits darin integriert.
Die Erkennung der einzelnen Geräte im Netzwerk erfolgt über individuelle IP-Adressen, die an dieser Stelle zu vergeben sind.
TeilnehmerIP-AdresseVLAN MitgliedBordrechner10.13.201.1Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, TicketRouter10.13.201.2Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, TicketSwitch 110.13.201.3Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, TicketSwitch 210.13.201.4Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, TicketFahrtanzeiger 110.13.201.10FahrtdatenFahrtanzeiger 210.13.201.11FahrtdatenFahrtanzeiger 310.13.201.12FahrtdatenKamera 1172.168.1.10VideoKamera 2172.168.1.11VideoKamera 3172.168.1.12VideoKamera 4172.168.1.13VideoVideorecorder172.168.1.14VideoFahrgastinfo 110.13.201.40FahrdatenFahrgastinfo 210.13.201.41FahrdatenFahrscheinentwerter 110.10.201.10TicketFahrscheinentwerter 210.10.201.11TicketFahrgastzählsystem 110.13.201.60FahrdatenFahrgastzählsystem 210.13.201.61FahrdatenFahrgast-WLAN192.168.1.10WLANWartungszugang10.13.201.250Management, Fahrtdaten, Video, WLAN, Ticket
Schritt 7: Diagnose/Überwachung planen
Um die reibungslose Funktionalität des digitalen IP-Netzwerks an Bord unseres Stadtbusses sicherzustellen, beziehen wir in das Netzwerkdesign eine dauerhafte Netzwerküberwachungslösung ein. Diese wird in manchen Fällen über den Bordrechner ermöglicht. Da der Switch zu jedem Teilnehmer im Netzwerk eine physikalische Verbindung hat, ist die Diagnose mittels eines Managed Ethernet Switches effektiver.
Eine dauerhafte Überwachung macht vor allem aus zwei Gründen Sinn:
Zur Fehlersuche
Kontrolle über den laufenden Betrieb
Managed Ethernet Switches können mit Hilfe spezieller Protokolle Auskunft über den Netzwerkstatus geben.
ITxPT Inventory Service x-status: Die Überwachung erfolgt eventbasiert. Tritt ein Unerwünschtes Ereignis auf, wird eine Nachricht mittels DNS an alle Teilnehmer verschickt. Über den Router kann die Störung direkt an die Leitstelle weitergeleitet werden. Diese Funktion eignet sich, um einen Überblick über die gesamte Fahrzeugflotte zu behalten. Es handelt sich um essentielles, funktionsrelevantes Monitoring.
Remote Logging: Alle Ereignisse, die im Switch protokolliert werden, werden auch an einen Remote-Server in der Leitstelle weitergeleitet. Hier ist ein umfangreiches Monitoring und Erstdiagnose möglich.
SNMP Trap: Mit dem Simple Network Management Protocol können Fehlermeldungen versendet werden.
Bitte informieren Sie sich vorab, welche dieser Protokolle Ihr Ethernet Switch unterstützt.
Beispiele für Netzwerk-Design in Bussen
Um ein funktionierendes Netzwerkdesign für unseren Linienbus zu erhalten, legen wir zum Schluss fest, wie das gesamte IP-Netzwerk zu konfigurieren ist. Es gilt zunächst zu klären, welche Mechanismen es gibt, um Einstellungen im Fahrzeug vorzunehmen. Der klassische Fall der manuellen Konfiguration eines jeden einzelnen Gerätes bzw. Switches kann mit Hinblick auf eine ganze Flotte sehr aufwendig werden. Eine einfachere Möglichkeit hierfür bieten ROQSTAR Ethernet Switches von TRONTEQ. Eine neue Lösung ermöglicht es, dass in einem vordefinierten Netzwerk sich alle Switches gegenseitig konfigurieren. Für die Praxis bedeutet das konkret, dass die Konfiguration nur ein Mal pro Bus und nicht pro Gerät vorzunehmen ist.
Auf alle Fälle ist bei den Überlegungen zur Konfiguration an die gesamte Flotte zu denken und nicht nur an ein einzelnes